Zur Hauptseite
  • Sekundarstufe I
  • Sekundarstufe II
  • KAoA-STAR
  • E–Learning
  • Rechtsgrundlagen
  • Allgemeine Infos
  • Theorie
  • Prozesselemente
  • Partner
  • Schülerfirmen
  • Generator
  • Add-ons
Zur Hauptseite

Theoretische Grundlagen der Beruflichen Orientierung in NRW

Mit den folgenden Ausführungen soll zunächst dargelegt werden, welche übergeordneten und entwicklungsspezifischen Ziele (1) die Interventionen verfolgen. Daran anschließend werden die Lern- und Kompetenzbereiche (2) erläutert, um im Anschluss die didaktische Rahmung und vertiefende Gestaltung berufsorientierenden Lernens (3) darzulegen.

(1) Ziele der beruflichen orientierenden Intervention

Ausgehend von einer individuenzentrierten Perspektive zielen die Angebote zur Beruflichen Orientierung ab auf die Förderung von Berufswahlkompetenz, die Menschen befähigt, lebenslang ihre Berufsbiographie gestalten zu können (Driesel-Lange, Hany, Kracke & Schindler, 2010). Mit Blick auf den Übergang von der Schule in nachschulische Bildungswege stellt das Erreichen einer begründeten Berufswahlentscheidung das erstrebenswerte Ziel pädagogischer Begleitung im Kontext der Beruflichen Orientierung dar. Jugendliche sollten daher auf der Basis ihrer eigenen Interessen, Fähigkeiten, Ziele und Werte auf der einen Seite und der berufsbezogenen Anforderungen, Erträge und Perspektiven auf der anderen Seite eine sichere Entscheidung herbeiführen, umsetzen und verantworten können (Driesel-Lange, 2011). Um eine solch fundierte berufswahlkompetente Entscheidung anzubahnen, benötigen Heranwachsende nicht nur Lerngelegenheiten zum Erwerb von Kenntnissen über die eigene Person und mögliche berufsbezogene Perspektiven, sondern auch pädagogische Unterstützung, um für den Berufswahlprozess günstige motivationale Haltungen zu fördern. Diese sichern u.a. eine eigenverantwortliche und persistente Gestaltung des Berufswahlprozesses auch dann, wenn Hindernisse auftreten und Ziele aufgegeben oder neu aufgestellt werden müssen (Driesel- Lange et al., 2010). Dabei erklärt sich die Notwendigkeit, die eigenen Ziele zu revidieren nicht ausschließlich aus Faktoren, die innerhalb der Person liegen (z.B. die Erkenntnis über Fähigkeiten, die Orientierungsprozesse in alternative Richtungen eröffnen), sondern lässt sich auch mit Faktoren erklären, die im Umweltkontext einer Person liegen. Möglicherweise ergeben sich Beschränkungen oder auch zusätzliche Perspektiven aufgrund sozioökonomischer und kultureller Gegebenheiten (Driesel-Lange, Kracke, Hany & Kunz, 2020).

(2) Lern- und Kompetenzbereiche in der Beruflichen Orientierung

Die zu fördernden Lern- und Kompetenzbereiche orientieren sich zum einen am übergeordneten Ziel der Beruflichen Orientierung, der Anbahnung von Berufswahlkompetenz. Zum anderen nehmen die Lern- und Kompetenzbereiche die Faktoren auf, die begründete Berufswahlentscheidungen ermöglichen und beeinflussen. Damit wird deutlich, dass entlang der Ebenen von Berufswahlkompetenz kognitive, aktionale und motivationale Facetten zu unterstützen sind. Die Rahmung, Erfassung und Visualisierung von Berufswahlkompetenz und ihren Dimensionen kann dabei je nach wissenschaftlichen Bezügen, theoretischen Modell und empirischen Perspektiven variieren.

Ein wissenschaftlich fundiertes und ökonomisches Instrument zur Erfassung wichtiger Aspekte von Berufswahlkompetenz ist beispielsweise der Berufsorientierungsindex (BOX) der Forschergruppe um die Autorin und die Autoren (Driesel-Lange, Gehrau, Brüggemann & Epker, im Druck). Der BOX kann als Grundlage individueller beruflicher Förderung in Einzel- oder Gruppensettings, zur Initiierung zielgerichteter, entwicklungsangemessener Lerngelegenheiten und als Ausgangspunkt der Reflexion für individuelles Feedback und Begleitung genutzt werden. Im Mittelpunkt stehen die Faktoren, die für erfolgreiche berufliche Entwicklung als förderlich gelten bzw. Risikofaktoren darstellen, wenn sie nicht entsprechend ausgeprägt sind. Entsprechend wurden aus den Erkenntnissen der Berufswahlforschung fünf Dimensionen des BOX abgeleitet:

Img

Berufliche Sicherheit, im Sinne der Klarheit der nachschulischen Entscheidung, ist für den Prozess der Berufswahl von außerordentlicher Bedeutung, da sie die Basis für die erfolgreiche Gestaltung des Übergangs bildet. Im Umkehrschluss – und vielleicht noch entscheidender – behindert Unsicherheit eine Bewältigung des Berufswahlprozesses. Angst davor, Fehler zu machen und diese nicht mehr korrigieren zu können, führt zu Unentschiedenheit, einem der zentralen Probleme in Übergangen.

Das berufliche Selbstkonzept, das sich aus den eigenen Fähigkeiten und Interessen sowie der Wahrnehmung beruflicher Anforderungen speist, fördert den Berufswahlprozess. Die Kenntnis des Selbst und der Arbeitswelt gilt als zentraler Faktor für einen erfolgreichen Übergang. D. h., die Jugendlichen müssen ihre Interessen, Stärken und Schwächen einschätzen können.

Berufswahlbezogene Selbstwirksamkeit ist entscheidend für die Inangriffnahme berufswahlbezogener Aufgaben und unterstützt die berufliche Entwicklung. Sie beschreibt die individuelle Erwartung, den Anforderungen im Prozess der Berufswahl zu genügen und den Prozess zu einem guten Abschluss zu bringen. Selbstwirksamkeit gründet auf der Zuversicht, dass der Prozess der Berufswahl sowohl grundsätzlich als auch individuell gut zu bewältigen ist.

Berufliche Flexibilität ist in der beruflichen Entwicklung wichtig, um Anschlussperspektiven nicht zu eng zu führen und alternative Pläne entwickeln zu können. Mangelnde Flexibilität ist einerseits risikoreich, weil fehlende Flexibilität immer dann, wenn Probleme auftreten, kaum Raum für Lösungen bietet. Flexibilität, auch im Sinne von Kompromissfähigkeit, gilt als ein wesentlicher Aspekt von berufsbezogenen Problemlösestrategien (Lipshits-Braziler & Gati, 2019). Andererseits ist zu große Flexibilität auch nicht hilfreich, weil sie zu Beliebigkeit führen könnte und so kaum Vorgaben bietet, an denen der Berufswahlprozess ausgerichtet werden kann.

Im Berufswahlprozess ist Berufswahlengagement wichtig, denn der Berufswahlprozess muss in Gang gesetzt und aufrechterhalten werden. Engagement bedeutet, aktiv zu werden. Die Bereitschaft, sich auf den Prozess und die dabei nötigen Anforderungen einzulassen, unterstützt die berufliche Entwicklung. Oft ist sie eine notwendige Voraussetzung, sodass fehlendes Engagement Untätigkeit bedeutet, was vielfach zu Problemen, manchmal sogar zum Scheitern führt. (vgl. Epker, 2023)

(3) Didaktische Rahmung und vertiefende Gestaltung berufsorientierenden Lernens

Eine systematische und nicht nur punktuelle Anregung der Auseinandersetzung mit der beruflichen Zukunft unterstützt Jugendliche darin, sich den anstehenden Aufgaben kontinuierlich zu widmen. Heranwachsende, die sich aktiv mit der Erarbeitung nachschulischer Perspektiven beschäftigen und dabei zunehmend Klarheit über die Gestaltung der eigenen Laufbahn erlangen, sind eher in der Lage, den Übergang von der Schule in den Beruf erfolgreich zu bewältigen. Schülerinnen und Schüler, die folglich in ihrem Berufswahlprozess vorangeschritten sind, Auskunft über die eigenen Interessen, Fähigkeiten, Ziele und mögliche berufliche Optionen geben können und den Übergang bewusst planen, profitieren, gleich eines Matthäus-Effekts, mehr von den Angeboten zur Beruflichen Orientierung (Driesel-Lange & Kracke, 2017). Wichtig ist also, dass die schulischen Angebote zur Beruflichen Orientierung neben einer kontinuierlichen Bereitstellung auch individuelle Entwicklungsstände berücksichtigen. Wer in seiner beruflichen Entwicklung bisher nur wenige Fortschritte gemacht hat, kann die berufsorientierenden Interventionen nicht in dem Maße für sich nutzen, wie es bei Schülerinnen und Schülern mit entwickelter Berufswahlkompetenz der Fall ist. Nicht nur die Ausprägung des beruflichen Entwicklungstandes, sondern auch sein nicht-linearer Verlauf erfordern eine individualisiert angelegte pädagogische Begleitung. Studien haben gezeigt, dass Heranwachsende berufliche Perspektiven für sich erschließen, diese aber teilweise wieder verwerfen und zu einem Punkt der berufsbezogenen und Selbstexploration zurückkehren (Rahn, Brüggemann & Hartkopf, 2014). Es zeichnen sich verschiedene Bewegungsmuster innerhalb des Berufswahlprozesses ab: während eine Gruppe von Jugendlichen kontinuierlich voranschreitet, verharren andere auf dem Stand ihrer Entwicklung oder verschließen sich der Aufgabe zunehmend (vgl. Driesel-Lange & Ohlemann, 2019). Erfahren die damit verbundenen individuellen Bedarfe keine Berücksichtigung, bleiben wünschenswerte Entwicklungen hin zu einer sicheren Berufswahlentscheidung und deren kompetenter Umsetzung möglicherweise aus.

 

Von Bedeutung ist grundsätzlich, dass Schülerinnen und Schüler das Interesse ihrer Lehrpersonen an ihrer beruflichen Entwicklung wahrnehmen. Sie setzen sich dann in der Folge intensiver mit den angebotenen Lerngelegenheiten auseinander (Driesel-Lange & Kracke, 2017; Driesel-Lange, Ohlemann & Morgenstern, 2018). Wenn es zudem noch gelingt, die individuell angepasste Form der Unterstützung zu offerieren - diese kann rein informationeller Natur, instrumentell oder emotional angelegt sein – sind Heranwachsende bestmöglich begleitet (Schindler, 2012).

Literaturangaben

Driesel-Lange, K. (2011). Berufswahlprozesse von Mädchen und Jungen. Interventionsmöglichkeiten zur Förderung geschlechtsunabhängiger Berufswahl. Münster: Lit.

Driesel-Lange, K., Hany, E., Kracke, B. & Schindler, N. (2010). Berufs- und Studienorientierung. Erfolgreich zur Berufswahl. Ein Orientierungs- und Handlungsmodell für Thüringer Schulen. In Thüringer Institut für Lehrerfortbildung, Lehrplanentwicklung und Medien (Hrsg.), Materialien Nr. 165. Bad Berka.

 Driesel-Lange, K. & Kracke, B. (2017). Potentialanalysen als Instrumente der Förderung in der Berufs- und Studienorientierung. Besondere Herausforderungen der Begleitung von Jugendlichen mit Hochschulzugangsberechtigung. In T. Brüggemann, K. Driesel-Lange, & C. Weyer (Eds.), Instrumente der Berufsorientierung (S. 99-124). Münster, Germany: Waxmann.

Driesel-Lange, K., Kracke, B., Hany, E. & Kunz, N. (2020). Entwicklungsaufgabe Berufswahl - Ein Kompetenzmodell zur Systematisierung berufsorientierender Begleitung. In T. Brüggemann & S. Rahn (Hrsg.), Berufsorientierung: Ein Lehr- und Arbeitsbuch (2. Aufl., S. 57 – 75). Münster: Waxmann.

Driesel-Lange, K. & Ohlemann (2019). Perspektiven von Mädchen und Jungen auf die schulische Berufsorientierung – empirische Befunde und konzeptionelle Überlegungen für die Stärkung individualisierter und gendersensibler pädagogischer Begleitung. In E. Makarova (Hrsg.), Gendersensible Berufsorientierung und Berufswahl: Beiträge aus der Forschung und Praxis. Bern: Hep.

Driesel-Lange, K., Ohlemann, S. & Morgenstern, I. (2018). Fördern Lehrpersonen den Berufswahlprozess Jugendlicher? ZSE Zeitschrift für Soziologie der Erziehung und Sozialisation, 4, 343 - 360.                                                                                          

Epker, M. (2023). Fachinput und Austausch: Kernbotschaften aus der Berufswahlforschung und Gestaltungsmöglichkeiten von Berufswahlkompetenz an Schule. Präsentation. Öffentliches Padlet: Dokumentationen der StuBo-Veranstaltungen für Köln, 22.05.2023

Rahn, S., Brüggemann, T., & Hartkopf, E. (2014). Das Berufsorientierungspanel (BOP). Abschlussbericht zur regionalen Paneluntersuchung "Berufsorientierungs- und Übergangsprozesse Jugendlicher im Rhein-Erft-Kreis". Münster, Germany: Ecotransfer.

Schindler, N. (2012). Lehrerunterstützung im Kontext der Berufswahl von Jugendlichen. (Dr. phil.), Friedrich-Schiller-Universität Jena, Jena.

PDF Ansicht
Finanzierung des Übergangs Schule-Beruf in NRW

BEZIRKSREGIERUNGEN

  • Bezirksregierung Arnsberg
  • Bezirksregierung Detmold
  • Bezirksregierung Düsseldorf
  • Bezirksregierung Köln
  • Bezirksregierung Münster